Die Altstadt von Berat ist malerisch schön und ein beliebtes Urlaubsziel dieses Jahr.Bild: iStockphoto / RossHelen
Analyse
Nachfrage um bis zu 200 Prozent gestiegen: Dieser Reise-Trend boomt 2023
Evelyn Pohl
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Der Sommer naht, auch wenn es sich vielerorts in Deutschland mit den aktuell eher mäßigen Temperaturen nicht so anfühlt. Und damit richtet sich der Blick auch in Richtung Sommerferien, der Haupt-Urlaubs- und Reisezeit der Deutschen.
Zu Recht, denn auch 2023 sieht es mit Buchungen in letzter Minute eher schlecht aus. Vom Reiseveranstalter Alltours hieß es dazu zum Beispiel schon im März: Wegen der gestiegenen Nachfrage in der Sommersaison 2023 sei nicht auf viele Last-Minute-Schnäppchen zu hoffen. Heißt, man sollte sich bald Gedanken darüber machen, wo es diesen Sommer im Urlaub hingehen soll. Oder man sollte flexibel und nicht auf ein bestimmtes Reiseziel festgelegt sein. Wer in diesem Punkt sowie bei Hotelkategorie und Zeitraum Spielraum hat, kann dennoch auf ein gutes Angebot spekulieren.
Nix wie weg dürfte dieses Jahr spontan eher schwierig werden. Es sei denn, man bleibt flexibel.null / pexels / Oleksandr Pidvalnyi
Mehr Sterne und Auslandsurlaub liegen im Trend
Deutschland war 2022 mit einem Anteil von 27 Prozent das Reiseziel Nummer eins der Bundesbürger, aber 73 Prozent der Reisen gingen ins Ausland. Das könnte dieses Jahr ähnlich aussehen.
Warum nicht ein bisschen Luxus trotz Inflation: Das Kempinski Four Seasons in Istanbul.bild: IMAGO / imagebroker
Trotz hoher Inflation lassen sich die Deutschen nach Einschätzung des Veranstalters Dertour ihren Urlaub einiges kosten. In der vergangenen Wintersaison setzte sich die gestiegene Nachfrage nach Hotels mit höheren Sterne-Kategorien fort, wie aus einer Dertour-Analyse hervorgeht. Demnach buchten 82 Prozent der Reisenden in den Monaten November 2022 bis Ende Februar 2023 ein 4- oder 5-Sterne-Hotel. Das waren neun Prozent mehr als im Sommer 2022 und sechs Prozent mehr als im Winter des Vor-Corona-Zeitraums 2019/20.
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Urlaub am Mittelmeer: Noch immer eines der wichtigsten Ziele
Die Deutschen bleiben ihren "Klassikern" treu: Die Länder rund ums Mittelmeer stehen auch im Sommer 2023 ganz oben auf der Reiseliste. Dabei handelt es sich laut TUI, dem größten deutschen Reiseveranstalter, um die türkische Riviera, die spanische Insel Mallorca, die griechischen Inseln und – ganz vorne dabei – Italien. Vor allem der Gardasee ist stark gefragt. Das bestätigen auch Daten des Online-Reisebüros Expedia als auch der Ferienhausplattform FeWo-direkt.
Auch dieses Jahr ganz vorne dabei: Urlaub auf einer griechischen Insel.bild: pexels / dimitri dim
Der Favorit Italien könnte, neben der Vorliebe der Deutschen für Gelato und Dolce Vita, noch einen anderen Grund haben: Norditalien ist für deutsche Urlauber:innen einfach mit dem Auto oder der Bahn zu erreichen. "Insbesondere aus Bundesländern wie Bayern und Baden-Württemberg", sagt Wolfgang Pagl, Director Vacation Rentals bei FeWo-direkt. "Das mag in Zeiten hoher Flugpreise mit ein Grund sein, warum Italien und insbesondere der Gardasee aktuell so gefragt sind."
Riva del Garda, immer wieder schön und vor allem für Süddeutsche ein Klassiker: Urlaub am Gardasee.bild: IMAGO / Beautiful Sports
Neben der gestiegenen Ticketpreise hat wohl auch der Personalmangel im Luftverkehr vergangenen Reisesommer seine Spuren im Buchungs-Gedächtnis der Reisenden hinterlassen. Der hatte 2022 an vielen deutschen Flughäfen für erhebliche Probleme gesorgt. Ob diesen Sommer alles besser abläuft, lässt sich nicht mit Bestimmtheit sagen. Denn ganz überwunden sind die Personalengpässe in der Branche noch nicht.
Ernüchternd: Nachhaltigkeit spielt untergeordnete Rolle
Auch der Aspekt der Nachhaltigkeit könnte auf den ersten Blick eine Rolle bei der Entscheidung für ein naheliegendes europäisches Reiseziel spielen. Doch dieser Hoffnung gibt der Tourismusforscher Prof. Harald Zeiss von der Hochschule Harz eine Absage. Seit Jahren beobachte man, dass in Umfragen die Nachhaltigkeit bei den Menschen hoch im Kurs stehe. Das habe auch viel mit sozialer Erwünschtheit zu tun. Doch sobald sich der Klima- und Umweltschutz in Form von höheren Preisen widerspiegelt, hört das Engagement auf: "Wenn es ums Geld geht, steigen viele aus." Deshalb sinke die Relevanz von Aspekten der Nachhaltigkeit in den Umfragen immer stark, sobald es um die konkrete Buchung gehe, so Zeiss.
Das spiegelt sich auch in einer ADAC-Tourismusstudie aus dem März 2023 wider: Nur fünf bis zehn Prozent der Befragten waren bereit, auch nur einen kleinen Aufpreis für nachhaltige Leistungen zu zahlen. Auch Themen wie der CO₂-Fußabdruck der Reise oder soziale Nachhaltigkeit in Form von fairen Arbeitsbedingungen spielten bei der Buchung für die meisten eine untergeordnete Rolle.
Mit dem Zug in den Urlaub: Ein klimafreundlicher Trend.Bild: dpa / Jörg Carstensen
Dabei muss Nachhaltigkeit nicht unbedingt höhere Kosten verursachen, sagt auch Tourismusforscher Zeiss. Nachhaltig und nicht teurer ist es zum Beispiel, wenn man nicht weit wegfliegt, sondern eher im europäischen Ausland verreist. Oder, wenn man der Bahn den Vorzug vor dem Flieger gibt. Insofern ist der aktuelle Trend zum Italien-Urlaub durchaus als positiv zu verbuchen.
Interesse an Albanien und Montenegro steigen extrem an
Ein neuer und durchaus überraschender Trend zeigt sich übereinstimmend in Daten des Online-Reisebüros Expedia und des Ferienhausportals FeWo-direkt: Das Interesse der Deutschen an Destinationen im Osten steigt, und zwar beachtlich. So sind die Suchanfragen für Ferienunterkünfte im östlichen Mittelmeerstaat Montenegro um 55 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gestiegen, für Albanien sogar um 200 Prozent.
Wunderschöne Strände, die (noch) nicht überlaufen sind mit Touristen: Das findet man in Albanien. Bild: iStockphoto / zm_photo
Bisher waren Länder wie Montenegro und Albanien eher von Individualreisenden oder im Rahmen einer Rundreise besucht worden, was an der atemberaubenden und vergleichsweise noch unberührten Natur des Balkans liegen könnte. So etwa der Durmitor Nationalpark, der zum Unesco-Welterbe zählt und etwa 120 Kilometer nördlich von Podgorica, der Hauptstadt Montenegros beginnt. Mit seinen glasklaren Bergseen, Wasserfällen, ursprünglicher Flora und Fauna und Attraktionen wie der mehr als 1.300 Meter tiefen und rund 78 Kilometer langen Tara-Schlucht ist diese Balkanregion unter Wanderern und Rafting-Fans schon länger ein Geheimtipp.
Rafting im größten und längsten Canyon Europas: Die Tara-Schlucht im Durmitor-Nationalpark in Montenegro.bild: Getty / Carmian
Nicht nur Naturliebhaber und Wanderfreunde zieht es nach Osten: Auch osteuropäische Großstädte und Grenzregionen sind in den Monaten Juni, Juli und August besonders gefragt. Ein großes Plus registrieren laut Expedia Hotels in Lettlands Hauptstadt Riga (plus 150 Prozent), in Ljubljana in Slowenien (plus 145 Prozent) und in Budapest in Ungarn (plus 120 Prozent).
Mal was anderes, als Rom oder Paris: Riga ist im Sommer sicher weniger überlaufen und günstiger.bild: pexels / Alex Does Pictures
Nach Ferienhäusern wird vor allem direkt hinter der deutschen Grenze in Polen und Tschechien im Sommer 2023 gesucht. Für die polnische Woiwodschaft Westpommern, die direkt an Mecklenburg-Vorpommern grenzt, verbucht FeWo-direkt 70 Prozent, für die Karlsbader Region in Tschechien sogar 90 Prozent mehr Suchanfragen als noch im vergangenen Jahr.
Die Ostsee lässt sich auf polnischer Seite ebenso genießen: Strandpromenade in Kolberg in Westpommernbild: IMAGO / imagebroker
Einer der Gründe könnte die Inflation sein: "In dieser Zeit der steigenden Preise geht es darum, das meiste aus dem eigenen Urlaubsbudget herauszuholen", sagt Expedia-Sprecherin Susanne Dopp. "Die Deutschen suchen nach bezahlbaren Alternativen, bei denen das Urlaubsgefühl dennoch nicht zu kurz kommt – und werden in Osteuropa fündig." Denn dort liegt das Preisniveau trotz hoher Inflation immer noch deutlich unter dem in Deutschland oder anderen europäischen Urlaubsländern.
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(mit Material der dpa)
Supermarkt: Experte mit düsterer Prognose bei Lebensmittel-Preisen
Der Blick auf die Preisschilder im Supermarkt dürfte zuletzt vielen Menschen Erleichterung verschafft haben. Butter kostet bei Aldi aktuell 58 Prozent weniger als zu den Hoch-Zeiten der Inflation Mitte 2022. Bei Lidl sind Nudeln 20 Cent günstiger und auch Milch ist bei einigen Supermärkten im Preis gesunken.
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